Winsen. Die Mitarbeiter des Landkreises Harburg haben sie schon liebevoll Bertha getauft: Eine Bibermama mit vermutlich einem Jungtier hat sich an der Kreisstraße 78 am Hausbach nahe Winsen-Luhdorf angesiedelt. Um den Schutz des Nagers zu gewährleisten und gleichzeitig den angrenzenden Radweg vor Überschwemmungen durch die Biberaktivitäten zu schützen, haben die Untere Wasser- und die Untere Naturschutzbehörde sowie der Betrieb Kreisstraßen der Kreisverwaltung, die Stadt Winsen als Verkehrsbehörde und der Naturschutzbund Winsen unkompliziert eine konzertierte und ungewöhnliche Rettungsaktion gestartet. Denn das Nagetier ist nicht nur possierlich, sondern auch selten und streng geschützt.
Der Biber hat seine Burg in einem Fischteich an der K 78 unmittelbar vor der Lüneburger Kreisgrenze angelegt. Das Problem: Das Tier baut fleißig, und durch seine Stauaktivität steigt das Wasser im Fischteich, es kann nicht mehr abfließen. Das überflutet wiederum den Radweg an der K 78. So waren die Mitarbeitenden des Betriebs Kreisstraßen auch auf den Biber gestoßen – als zufällige tierische Entdeckung am Flussufer. Als die Mitarbeitenden des Landkreises nach der Ursache für den unter Wasser stehenden Radweg forschten, stießen sie auf Biberspuren. Auf der Insel im Fischteich fand sich eine Biberburg, die Abflüsse in den Hausbach waren kunstvoll mit Dämmen verstopft. Endgültige Sicherheit gaben dann nächtliche Filmaufnahmen, die eine vom Naturschutzbund aufgestellte Wildkamera lieferte: Sie zeigen Bibermama Bertha mit ihrem Nachwuchs.
Der Betrieb Kreisstraßen kümmerte sich kurzerhand in Abstimmung mit der Unteren Wasser- und der Unteren Naturschutzbehörde darum, dass ein vorhandener Entwässerungsbypass geöffnet wurde und auch künftig geöffnet bleibt. Zunächst wird der Bypass regelmäßig geräumt, die Mitarbeitenden prüfen derzeit aber eine dauerhafte Lösung, um den Abfluss zu gewährleisten. Das Wasser wird dabei nur so weit abgesenkt, dass der Eingang der Biberburg weiter unter Wasser bleibt.
An der Kreisstraße mahnen Warnschilder „Achtung querende Biber“ die Autofahrer zur Vorsicht. Die Stadt Winsen als Verkehrsbehörde hat die Aufstellung dieser ungewöhnlichen Schilder genehmigt - in der Straßenverkehrsordnung sind sie eigentlich nicht vorgesehen.
„Artenschutz fängt vor Ort und im Kleinen an“, betonte Kreisrat Josef Nießen und lobte die Gemeinschaftsaktion aller Behörden. Für die Kreisverwaltung sei es keine Frage sich im Biberschutz zu engagieren, schließlich habe die öffentliche Hand eine Vorbildfunktion.
In Deutschland gab es einst mehrere hunderttausend Biber. Sie wurden vor allem wegen ihres Fells unbarmherzig gejagt und waren im 19. Jahrhundert fast ausgerottet. Doch seit gut zehn Jahren kehrt Europas größtes Nagetier auch in den Landkreis Harburg zurück. Inzwischen haben die Untere Naturschutzbehörde und der Naturschutzbund gut zehn Reviere vor allem an der Elbe, aber auch am Rethmoorsee und an der Seeve ausgemacht. Die Naturschützer gehen von wenigstens 30 Tieren aus. Flora und Fauna profitieren von der Rückkehr des Bibers, der nachtaktiv ist und sich rein vegetarisch ernährt. Durch seine Fähigkeit, die Landschaft zu verändern, nimmt der Biber eine Schlüsselrolle in der Natur ein.
Durch das Fällen von Bäumen zur Nahrungsaufnahme sowie den Bau von Dämmen und Biberburgen tragen die Tiere zur Renaturierung der Gewässer und ihrer Auenbereiche bei. Dadurch entstehen wertvolle Lebensräume für weitere Tier- und Pflanzenarten, beispielsweise natürliche Überflutungsbereiche, und nicht zuletzt auch ein effektiverer Hochwasserschutz. Die ruhigen Flachwasserbereiche und die neu entstandenen Feuchtwiesen kommen Fröschen, Libellen, Fischen und Wasservögeln zugute.
Der Biber ist eine streng geschützte Art. Die Tiere dürfen weder gefangen oder getötet noch darf ihr Lebensraum zerstört werden. Ehrenamtliche Biberberater kümmern sich im Landkreis Harburg in Zusammenarbeit mit der Unteren Naturschutzbehörde um ein flächendeckendes Bibermanagement für die Region.