Winsen. Gleich mehrere Jubiläen gibt es in diesem Jahr zu feiern: 1919 wurde in Deutschland das Frauenwahlrecht aus der Taufe gehoben. Das Grundgesetz wurde im Mai 1949 beschlossen und 1994 um den Gleichberechtigungsparagraphen ergänzt, der im Artikel 3 Absatz 2 besagt, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind. Andrea Schrag, Gleichstellungsbeauftragte im Landkreis Harburg, lädt für Donnerstag, 7. März, anlässlich des Internationalen Frauentags 2019, zu einer spannenden Veranstaltung ein. Im Winsener Kreishaus möchte sie ab 16.30 Uhr unter dem Motto „Wir feiern rein“ mit Professorin Dr. Rita Süssmuth, Bundestagspräsidentin a.D. und Gästen darüber diskutieren, wie es heute um die Gleichberechtigung steht.
Vor mehr als 100 Jahren hatten sich mutige Frauen mit Unterstützung von nur wenigen Männern das Recht erkämpft, sich politisch zu beteiligen, zu wählen und selbst gewählt zu werden. Im Grundgesetz heißt es seit 25 Jahren, dass Frauen und Männer gleichberechtigt sind. Dem Staat fällt somit die Aufgabe zu, dieses Gesetz auch tatsächlich durchzusetzen.
Die Praxis sieht allerdings in vielen Bereichen anders aus. In den Vorständen und Führungsetagen sind immer noch in erster Linie Männer anzutreffen. Frauen verdienen im Schnitt 20 Prozent weniger als Männer. Von Altersarmut ist hauptsächlich das weibliche Geschlecht betroffen. Frauen kümmern sich unbezahlt um Haushalt und Kinder und übernehmen in vielen Fällen auch noch die Pflege von Angehörigen. Während ihre Männer die Karriereleiter erklimmen, stehen sie am Ende ihres Arbeitslebens meist mit einer deutlich geringeren Rente da. Jede vierte Frau in Deutschland ist außerdem von Gewalt betroffen.
Eine ernüchternde Bilanz, die auch Professor Dr. Rita Süssmuth bekannt sein dürfte. Als die CDU-Politikerin in den 1950er-Jahren ihr Studium der Erziehungswissenschaften aufnahm, war es noch üblich, dass Frauen mit der Eheschließung, spätestens nach der Geburt des ersten Kindes, ihren Beruf an den Nagel hängten. Als sie 1985 zur Ministerin für Jugend, Familie und Gesundheit ernannt wurde, saßen kaum mehr Frauen im Bundestag als im Reichstag zu Zeiten der Weimarer Republik.
Aber auf traditionellen, vermeintlich sicheren Pfaden hat sich die Wissenschaftlerin selten bewegt. So war es auch, als sie 1988 zur Bundestagspräsidentin gewählt wurde - als erste Frau in diesem Amt. Durch ihr Engagement in der Frauenforschung und -Politik erfuhr Rita Süssmuth oft am eigenen Leib, was Ausgrenzung, Geringschätzung und Diskriminierung bedeutet. Ihr Lebensmotto und Titel eines ihrer Bücher: Wer nicht kämpft, hat schon verloren!“
Rita Süssmuth hat während ihrer aktiven politischen Zeit viel getan, um die Gleichberechtigung voranzubringen. Im Kreishaus Winsen will sie den Besucherinnen und Besuchern des Internationalen Frauentags 2019 einen Ausblick geben, wie Gleichberechtigung tatsächlich erreicht werden könnte. „Vieles scheint auf den Weg gebracht, aber es gibt immer noch viel zu tun“, bilanziert Gleichstellungsbeauftragte Andrea Schrag.