Harburg. „Demokratieschädlich!“ So bezeichnet der Linken-Bezirksabgeordnete André Lenthe das Verhalten von SPD, CDU und AfD mit Blick auf deren Abstimmungsverhalten über die Dringlichkeit des Antrags der Linken zum Kulturprojekt 3falt (besser-im-blick berichtete: Linke wollen Kulturprojekt 3falt retten). Erst nach dem normalen Antragsschluss für diese Sitzung war bekannt geworden, dass die der Kirchengemeinderat St. Trinitatis nicht nur beschlossen hatte, ein Interessenbekundungsverfahren für die Dreifaltigkeitskirche in der Neuen Straße zu starten, sondern auch, dass es in dieser Zeit keinerlei Nutzung dort geben solle und somit das Kulturprojekt ausziehen muss. Die Fraktion der Linken hatte daraufhin den Dringlichkeitsantrag eingereicht, der darauf zielte, dass das Projekt zumindest in der Zeit des Verfahrens dort weiter eine Heimat gefunden hätte.
Die Fraktionen der SPD, der CDU und der AfD aber verneinten ohne weitere Begründung auf der Sitzung der Bezirksversammlung am Dienstag die Dringlichkeit des Antrages. Auf Nachfrage erklärte Holger Böhm, für die SPD im Kulturausschuss der Bezirksversammlung, gegenüber besser-im-blick, man sei auf einer Sitzung am 18. März, auf dem auch die Vertreter der Fraktionen anwesend gewesen seien, von der Kirchengemeinde darüber informiert worden. „Wir sind im Moment nicht Herr des Handelns“, so Böhm.
Die Kirchengemeinde habe den Auszug von 3falt als nötig begründet, da das Verfahren sonst als Farce gesehen werden könnte und andere Bewerber abgeschreckt würden, wenn einer der Bewerber dort schon arbeite. Dies hätten auch die Vertreter der anderen Fraktionen so gesehen. Man habe sich, so auch Ralf-Dieter Fischer, Fraktionsvorsitzender der CDU, einvernehmlich darauf geeinigt, sich dazu öffentlich nicht mehr zu äußern. Deshalb habe man die Dringlichkeit verneint.
Dieser Darstellung aber widerspricht Jörn Lohmann, Fraktionsvorsitzender DIE LINKE. und bei dem Treffen anwesend, vehement: „Wir waren uns einig, dass es das Interessenbekundungsverfahren geben soll. Aber ich habe gleich gesagt, dass wir dagegen sind, dass 3falt in dieser Zeit nicht weiter dort sein soll und dass wir das kritisieren werden.“ Auch Jürgen Marek von den Grünen widerspricht Böhm und Fischer: „Eine Verabredung hat es in diesem Sinne nicht gegeben.“ Ebenso wie Barbara Lewy von den Neuen Liberalen sei es laut Marek so gewesen, dass man sich lediglich auf die Selbstverständlichkeit geeinigt habe, keine Interna auszuplaudern.
„So ein demokratieunwürdiges Verhalten habe ich hier noch nicht erlebt. Genau so etwas sorgt für Politikverdrossenheit“, zeigt sich André Lenthe wütend. Denn: Die Frage der Dringlichkeit eines Antrags ist eine rein formale, keine inhaltliche. „In Angelegenheiten, die keinen Aufschub dulden, können vor Eintritt in die Tagesordnung Dringlichkeitsanträge gestellt werden“, heißt es in der Geschäftsordnung der Bezirksversammlung dazu. Um eine inhaltliche Auseinandersetzung haben sich SPD, CDU und AfD nun gedrückt. „Die Bürger erwarten doch aber, dass man sich auch politisch inhaltlich verhält“, so Lenthe.
Da ist es wieder: Das TINA-Prinzip. Das Maggie Thatcher-Mantra „There Is No Alternative!“ SPD und CDU geben zu Protokoll, dass sie in Sachen 3falt nichts machen können. „Gegen diese Beschlüsse können wir als Politik nicht gegen an“, findet Holger Böhm. „Wir fanden es mehr als merkwürdig, dass man nur für die Show so tut, als müsse man einen Antrag stellen, von dem man weiß, dass er nichts bringt“, kritisiert Ralf-Dieter Fischer die Linken. Dass die AfD gegen die Fortführung eines Projekts mit viel Alternativ-und Subkultur ist, braucht man eigentlich nicht erwähnen.
Natürlich ist die Situation nicht alternativlos. Das beweist allein schon die Existenz des Dringlichkeitsantrages. Zugegeben: Er erfüllt nicht die Anforderung sozial- und christdemokratischen Machbarkeitswahns, wo nur das als realistisch erscheint, was eh schon als sicher gilt. Hier gab es „nur“ die Möglichkeit, sich mit dem Kulturprojekt 3falt solidarisch zu zeigen und moralische Unterstützung zu geben. Und vielleicht hätte es ja doch eine Lösung gegeben. Das werden wir, maßgeblich Dank einer weichgespülten SPD, nicht erfahren.
Wenn man als Politiker aber an dem Punkt angelangt ist, an dem man findet, das man nichts mehr tun kann, dann wird es Zeit, die politische Bühne zu verlassen und sich ins Privatleben zurückzuziehen. Denn das einzige, was man dann noch bewirken kann, ist zu verhindern, dass überhaupt etwas passiert. Solche Politiker braucht wirklich keine Sau.