Buchholz. Zahlreiche Eltern in Buchholz beschäftigt zurzeit eine Frage: „Bekomme ich für mein Kind zum neuen Kindergartenjahr einen Betreuungsplatz?“ Die Fakten sprechen eine deutliche Sprache - es wird nicht für alle reichen. „Aktuell zeichnet sich ab, dass zum 1. August 54 Krippen- und 61 Kindergartenanmeldungen nicht berücksichtigt werden können“, sagt die Leiterin des Fachdienstes Familie und Kinder, Bettina Heimhalt. Im Laufe des neuen Kindergartenjahres werden sich die Wartelisten voraussichtlich nochmals um 78 Krippen- und 61 Anmeldungen für den Elementarbereich - Kinder ab drei Jahren - erweitern.
So mancher reibt sich angesichts dieser Zahlen verwundert die Augen. Schließlich war die Stadt nicht untätig, hat in den vergangenen Jahren rund 200 Krippen- und mehr als 100 Kindergartenplätze geschaffen. Stand Juni 2019 stehen insgesamt 1698 Betreuungsplätze zur Verfügung. Warum gibt es dann noch Wartelisten? Die Ursachen dafür sind vielfältig. „Buchholz ist ein attraktiver Wohnort“, weiß Erster Stadtrat Dirk Hirsch. So ist die Stadt in den vergangenen sechs Jahren - nach eigener Zählung - von 39 664 (Stand 31.12.2012) auf 41 666 Einwohner (Stand 31.12.2018) gewachsen, ein Plus von 2002 Menschen. Auch die Geburtenrate hat spürbar angezogen. Beide Trends sind ungebrochen. „Wir leben in mehrfacher Hinsicht in einer Wachstumregion“, sagt Hirsch.
So habe auch die - zum Glück - niedrige Arbeitslosenquote Auswirkungen auf die Nachfrage nach Betreuungsplätzen. Ökonomisch betrachtet, trifft die hohe Nachfrage nach Arbeitnehmern auf ein kleines Angebot von Arbeitskräften. Der daraus resultierende branchenübergreifende Fachkräftemangel „führt dazu, dass Eltern schneller in den Beruf zurückgehen und dann Betreuungsplätze für ihre Kinder brauchen“, analysiert Hirsch. Triebkraft entwickelt überdies die Befreiung von den Kindergarten-Gebühren. „Wir sehen eine steigende Nachfrage nach Ganztagsplätzen“, ergänzt Heimhalt.
Ein weiterer Aspekt: Die im Sommer vergangenen Jahres umgesetzte Flexibilisierung des Einschulungstermins für Kinder, die in der Zeit vom 1. Juli bis zum 30. September das sechste Lebensjahr vollenden. „Dies führt dazu, dass zahlreiche Kindergartenplätze ein Jahr länger belegt werden können“, erläutert Heimhalt. Grund: Kinder, deren Erziehungsberechtigte von der Neuregelung Gebrauch machen und deren Schulbesuch damit um ein Jahr geschoben wird, haben nach wie vor einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz. Die Folge: In Buchholz werden 51 Kinder - und damit fast fünf Mal so viele im Durchschnitt der Vorjahre (!) - ein Jahr länger ihren Kindergarten besuchen. Plätze, die für Nachrücker fehlen.
Kurzfristige Entlastung soll die Einrichtung von zusätzlichen Nachmittags- und Ganztagsgruppen schaffen. „Wir arbeiten derzeit intensiv an einer Lösung“, betont Hirsch. Bis zum Herbst könnten so etwa 70 weitere Betreuungsplätze entstehen. Gleichwohl lässt sich das Platzproblem kurzfristig in Gänze nicht lösen. „Wir würden gerne morgen drei neue Kitas eröffnen“, sagt Hirsch, „aber Neubauten brauchen - zumal während einer starken Baukonjunktur - Zeit.“
Bei der Stadt laufen deshalb die Planungen für den Bau weiterer Kindergärten auf Hochtouren. Danach sollen im kommenden Jahr knapp 90 Krippen- und rund 70 Elementarplätze neu geschaffen werden. Für 2021 steht der Bau einer Kita mit weiteren 120 Plätzen auf der Agenda. Darüber hinaus arbeitet die Stadt an einem weiteren langfristigen Ausbauprogramm, das Wachstumstrends und -szenarien berücksichtigt.
„Ungelöst ist allerdings nach wie vor das Fachkräfteproblem“, sagt Hirsch und verweist auf eine repräsentative Befragung des Verbands für Bildung und Erziehung vom März dieses Jahres. Danach herrsche in den Kindergärten bundesweit Personalnot. Hirsch: „Der Arbeitsmarkt ist regelrecht leergefegt“, bedauert der Erste Stadtrat. Zusätzlich verschärft werde die Situation durch die Lage am Ausbildungsmarkt. Dort gebe es einen regelrechten Wettbewerb um die besten Köpfe. Vor diesem Hintergrund liege auf der Hand, dass die mehrjährige unbezahlte schulische Ausbildung zum Erzieher beziehungsweise Sozialpädagogischen Assistenten wenig attraktiv sei. „Leider ist das Land Niedersachsen trotz Ankündigung auf diesem Gebiet noch nicht ausreichend tätig geworden“, kritisiert Hirsch.
Die anhaltend hohe Nachfrage nach Betreuungsplätzen wirkt sich zudem auch auf den Haushalt aus. Schon heute - Stand 2019 - gibt die Stadt rund 11 Millionen Euro pro Jahr für ihre Krippen und Kindergärten aus - ohne die zusätzlich erforderlichen Investitionen. Die Folgen dieser Entwicklung sind offensichtlich. Hirsch: „Die Kosten werden steigen.“