Harburg. Was das Archäologische Museum Hamburg (AMH) mit den Ausstellungen „Zwei Millionen Jahre Migration“ und „Margiana“ begann, setzt sich in der aktuellen Ausstellung „Syrien. Fragmente einer Reise, Fragmente einer Zeit“ fort: Eine Reise zu den frühen Anfängen der europäischen Zivilisation und der Beantwortung der Fragen, woher wir eigentlich kommen und wie wir eigentlich an diesen aktuellen Punkt gekommen sind. Denn wenn man nach den Ursprüngen der europäischen Zivilisation schauen möchte, dann kann man den Blick nicht einfach ausschließlich in Europa schweifen lassen, sondern muss auch in den Nahen Osten schauen. Dort, wo heute wie beispielsweise in Syrien Krieg herrscht, wo Terrormilizen das kulturelle Erbe vernichten, gab es die frühen Hochkulturen, die so großen Einfluss auf die Entwicklung auf die Entwicklung bei uns hatten.
Anhand von Bildern der Fotografin Yvonne von Schweinitz von ihren Reisen nach Syrien in den Jahren 1953 und 1960 wird die jüngere Geschichte dieses Landes gezeigt. Und doch, obwohl die Reisen nur rund 60 Jahre zurückliegen, gibt es viele der gezeigten Orte heute nicht oder nicht mehr so. „Wir müssen uns den Fotos archäologisch nähern“, so Prof. Rainer-Maria Weiss, Direktor des AMH. „Obwohl es nur so kurz her ist, existiert es heute so nicht mehr.“ Auch das wird anhand von Gegenüberstellungen von vor dem Krieg und dem IS und danach bzw. heute in der Ausstellung verdeutlicht. Zwei Luftaufnahmen der Wüstenoase Palmyra zeigen, wie verheerend weit die Vernichtung des kulturellen Erbes fortgeschritten ist. „Die Vorher-Nachher-Fotos sind erschütternd“, so Weiss.
Und doch: Durch Fotos wie eben die von Yvonne von Schweinitz sind diese Schätze der Menschheit eben nicht ganz verloren. Auch das macht die Ausstellung deutlich. Und ist durchaus auch Intention der beiden Kuratoren Claus Friede und Mathias von Marcard. „Wir wollen auch zeigen, dass der Verlust an materiellen Dingen nicht gleich der Verlust an immateriellen Dingen ist“, so Claus Friede. Außerdem wollen die beiden Kuratoren auch einen Bogen in die Gegenwart schlagen: „Wir wollen auch die Geschichte und Heimat derjenigen zeigen, die hier Schutz suchen“, erläutert Friede diesen Gedanken. „Die Fotos zeigen auch, wie nah unsere Kultur mit der Kultur dieser Region verwand ist.“ Die Idee der Stadt, der Polis, läge hier, unsere heutige Schrift wäre ohne die Keilschrift gar nicht möglich gewesen. „Es ist ein gemeinsames historisches Gedächtnis“, so Friede, der Syrien als eine Region bezeichnete, die immer Migranten aufgenommen habe.
Die Fotos, die gezeigt werden, sind für ihr Alter von erstaunlicher Qualität. Das, so Friede, läge daran, dass sie vorher noch nie gezeigt wurden und somit noch nie dem Licht ausgesetzt worden seien. Angeordnet sind die Bilder in sieben Stationen, die sich an von Schweinitz' Reiseroute orientieren und den Besuch der Ausstellung selbst zu einer kleinen Reise machen. Die gerahmten Aufnahmen auf Barytpapier zeigen neben bedeutenden geschichts- und religionsträchtigen Baudenkmälern und Sehenswürdigkeiten auch Straßen- und Alltagsszenen, Kulturorte sowie Portraits verschiedener Ethnien. Gezeigt wird auch die original Kamera, mit der Yvonne von Schweinitz die Fotos geschossen hat.
Die Ausstellung „Syrien . Fragmente einer Reise, Fragmente einer Zeit“ wird bis zum 16. Juni 2019 im Archäologischen Museum Hamburg gezeigt. Der Eintritt kostet 6 Euro, ermäßigt vier, bis 17 Jahre ist der Eintritt frei. Geöffnet ist die Ausstellung jeweils von Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr.
Informationen zur Fotografin Yvonne von Schweinitz
Yvonne von Schweinitz, geb. Gräfin von Kanitz, wurde 1921 in Danzig geboren. Sie studierte Romanistik und Kunstgeschichte und war anschließend als Übersetzerin tätig. Ihre erste große Foto-Reise führte sie 1952 nach Marokko. 1953 bereiste sie sieben Monate lang zusammen mit Kollegen, darunter auch der Journalist Hans von Meiss-Teuffen, den Vorderen Orient mit dem Auto. Ihre legendären Fotos brachte sie in das Atelier des bekannten Fotojournalisten Willy Pragher (1908-1992) in Freiburg i.Br. ein. 1957 heiratete sie Viktor von Schweinitz. Ihre fotografische Tätigkeit übte sie weiter aus. Auf ausgedehnten Reisen mit ihrem Mann nach Nordafrika, in den Nahen und Mittleren Osten und nach Südamerika, entstanden zahlreiche Bildreportagen. Eine Auswahl ihrer Syrien-Fotografien aus den Jahren 1953 und 1960 ist nun erstmals in einer eigenen Schau zu sehen.