Am Sonntag stimmt die SPD auf ihrem Bundesparteitag über die Aufnahme von Koalitionsgesprächen für eine Große Koalition (GroKo) mit CDU und CSU ab. Obwohl die SPD-Spitze noch am Wahlabend – unter dem Jubel vieler Genossen – die Fortsetzung der GroKo klar abgelehnte, heißt es nun, man müsse Verantwortung zeigen. Während die Parteispitze um den SPD-Vorsitzenden Martin Schultz und die Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles für ein Ja werben, trommeln die Gegner der GroKo, an der Spitze die Jusos um ihren Vorsitzenden Kevin Kühnert, munter für ein Nein.
Hamburg fährt mit 15 Delegierten nach Bonn. Harburgs SPD-Kreischef Frank Richter ist eigentlich einer von ihnen, ist aber verhindert. Dennoch hat sein Wort Gewicht bei den Hamburger Genossen. Was rät er den Delegierten?
Herr Richter, wie ist Ihre generelle Haltung zur GroKo?
Es ist nicht mein Lieblingsprojekt und demokratietheoretisch sicherlich problematisch. Es kann immer nur eine ultima ratio sein.
Was hat die letzte GroKo für die Bürger gebracht? Was für die SPD?
Die letzte Große Koalition hat sehr viele vor allem sozialpolitische und gesellschaftliche Fortschritte gebracht. In erster Linie den Mindestlohn und das Familiengeld Plus. Aber auch die Frauenquote für Aufsichtsräte und die Ehe für Alle waren gesellschaftspolitisch wichtige Fortschritte. Aus meiner Sicht wichtig war auch die deutliche Erhöhung der Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau. Die SPD hat leider nicht davon profitiert, dass sie diejenige war, die für die hauptsächlichen Verbesserungen die treibende Kraft der Koalition gewesen ist.
Werden Sie auf dem BPT für oder gegen die Aufnahme von Koalitionsgesprächen stimmen?
Ich werde nicht auf dem BPT sein und muss mich dort leider vertreten lassen, würde aber für die Aufnahme von Koalitionsgesprächen stimmen, wenn noch ein paar Arbeitsaufträge mitgenommen werden.
Was wären Mindestbedingungen für die Bildung einer neuen GroKo?
Ich bin nach wie vor nicht begeistert von einer neuen großen Koalition. Sie ist nur dann vertretbar, wenn in dieser Legislaturperiode wichtige Weichenstellungen für die Zukunft unserer Gesellschaft erfolgen. Da sind mir die Formulierungen im Sondierungspapier noch nicht konkret genug, weil doch viele Dinge in Kommissionen verschoben oder mit Prüfaufträgen versehen sind. Ich denke da vor allem an die Bereiche Zukunft der Rente und der Pflege oder die Zeit- und Leiharbeit. Nur wenn in den Koalitionsverhandlungen diese Dinge mit klaren inhaltlichen und zeitlichen Vorgaben versehen werden und die Vereinbarung getroffen wird, noch in dieser Legislaturperiode mit der Umsetzung von Empfehlungen zu beginnen, halte ich einen Eintritt in eine große Koalition für vertretbar. Die SPD muss dann nur auch hinreichend deutlich machen, dass es ihre Initiative ist und nicht die der Kanzlerin und ihrer Partei.
Was sind in Ihren Augen die Alternativen zur GroKo?
Ich denke nicht, dass wir uns die Alternative aussuchen können, wenn es nicht zu einer Koalition kommt. Das Heft des Handelns liegt dann bei anderen und meine Vermutung ist, dass es dann Neuwahlen geben wird.