Harburg. Die in der Harburger Bezirksversammlung (BV) behandelten Themen sind –zumindest im Regelfall – nicht von besonderem öffentlichen Interesse. Das jedenfalls geht aus einer E-Mail des Bezirksamtes hervor, die an die Redaktion von besser-im-blick und anderer Medien verschickt wurde.
besser-im-blick versucht seit Monaten, von den Sitzungen der Bezirksversammlung durch Videobeiträge zu berichten. Immer wurde das Anliegen vom Ältestenrat der BV abgelehnt mit der Begründung, dass die Geschäftsordnung dies nicht erlaube. Das stimmt – und Harburg ist die einzige BV in gesamt Hamburg, in der Videoaufnahmen nicht nur nicht möglich sondern sogar explizit verboten sind.
Für die Sitzung zur morgigen BV hatten andere Harburger Medien Videoaufnahmen ebenfalls beantragt und harburg-aktuell hatte auch nachgefragt, warum es dem NDR an anderer Stelle (der ersten Wahl von Thomas Völsch zum Bezirksamtsleiter) genehmigt worden sei, Aufnahmen zu machen. Nun lieferte der kommissarische Bezirksamtsleiter Dierk Trispel eine neue Begründung: Zwar könne die Erlaubnis durch die BV im Einzelfall erteilt werden. Aber: „Es geht um eine Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Berichterstattung per Bild gegen das Interesse an einem durch Aufnahmen ungestörten Sitzungsverlauf.“
Im Klartext: Dass eine Kamera hinter den Sitzen der Mitglieder der BV fest aufgestellt ist, ist anscheinend eine Störung derartigen Ausmaßes, dass sie das öffentliche Interesse an der Berichterstattung per Filmbeitrag überwiegt. Also beispielsweise zu Themen wie Schließung der katholischen Schulen, Integration uvm. Das Wohlbefinden der Mitglieder der BV scheint hier wichtiger als die Information der Bürger. Aber eben nur scheint es so. Denn die momentane, geduldete Praxis um ein Foto der Redner zu bekommen (Berichterstattung per Bild!) ist es, sich mitten im Gang vor dem Rednerpult aufzustellen und den Auslöser zu betätigen.
Dass das Wohlbefinden der Mitglieder der BV wichtiger ist als die Information der Bürger, zeigt sich auch am zweiten Teil der Begründüng. „Bei vielen Mitgliedern geht vor laufender Kamera die Unbefangenheit verloren bis hin zu einer Weigerung, überhaupt noch an das Rednerpult zu treten und dort in freier Rede zu sprechen. Andere Mitglieder hingegen stellen sich möglicherweise in besonderem Maße in den Vordergrund.“ Da stellt sich die Frage: Sind Harburger BV-Mitglieder eigentlich schüchterner und verklemmter als in anderen Teilen Hamburgs? Haben wir in Harburg im Gegensatz zu anderen Bezirken mehr Selbstdarsteller? Der Prozentsatz scheint insbesondere in der SPD-Fraktion besonders hoch zu sein - denn von hier kommt die heftigste Gegenwehr gegen Videoaufnahmen. Die meisten anderen Fraktion haben laut eigenem Bekunden nichts dagegen. Da möchte man fragen: „Was stimmt mit euch nicht?“ Schließlich klappt es überall sonst auch.