Harburg. SPD und Grüne haben es geschafft: Der Koalitionsvertrag für die nächsten fünf Jahre rot-grüner Politik im Bezirk Harburg ist unterschrieben. Am gestrigen Montag setzten die Fraktionsvorsitzenden Frank Richter (SPD) und Britta Herrmann (Bündnis 90/Die Grünen) im Rathaus ihre Unterschriften unter das Dokument.
Im Koalitionsvertrag wollen die beiden Parteien festgelegt haben, was für eine „kluge Entwicklung“ im Bezirk zu tun ist, um „ökologische, ökonomische und soziale Fragen in Einklang zu bringen“ und „attraktive und lebenswerte Quartiere zu entwickeln und zu behalten“, wie es zu Anfang der Präambel heißt.
Diesem Anspruch möchte die Koalition in sieben Linien nachkommen: Stadtentwicklung mit dem Schwerpunkt Wohnungsbau, Mobilität mit Ausbau des ÖPNV sowie Rad und E-Mobilität, Soziales mit Familie, Schule und Integration, Wissenschaft und Wirtschaft mit der Technischen Universität (TUHH) und dem Binnenhafen, Klima-, Umwelt- und Artenschutz, Kultur und Sport und Teilhabe. Es geht im Großen und Ganzen darum, wie die Bürger Harburgs, deren Zahl am Wachsen ist, deren Kulturen und Bedürfnisse verschieden sind, gut miteinander klarkommen ohne die Umwelt zu sehr zu belasten.
Da spielt der Wohnungsbau natürlich eine zentrale Rolle. 800 Wohnungen möchte die Koalition in Harburg pro Jahr genehmigt bekommen, wobei Nachverdichtung und auch Hochhausbau kein Tabu sind. Die Infrastruktur des Öffentlichen Personennahverkehrs soll Instandgesetzt und ausgebaut, ökologische Fortbewegungsarten wie Radfahren und E-Mobilität gefördert werden.
Ein zentraler Ort für ein sozialverträgliches Miteinander stellt für die Koalition offensichtlich die Familie dar. Sie soll, wo nötig, durch zum Beispiel Familienzentren gestärkt und unterstützt werden. Kinder sollen ab dem ersten Lebensjahr einen Anspruch auf einen Kitaplatz haben, die Schule ein Ort der Inklusion werden.
Für die Entwicklung der TUHH steht der Bau studentischer Wohnungen im Mittelpunkt und den Wirtschaftsverein für den Hamburger Süden, der vielleicht eine rot-grüne Koalition mit Vorbehalten beäugt, soll damit einkassiert werden, dass sich zu seinem Stadtentwicklungskonzept Harburg 20/50 bekannt wird. Die Förderung von Technologieunternehmen steht im Vordergrund.
Global denken – lokal handeln. Das soll Devise beim Klima- und Umweltschutz sein. Klimakonzepte sollen entwickelt und umgesetzt werden. Parkanlagen und Grünzüge sollen für die Bebauung tabu sein. Die Bürger sollen unter anderem durch Nutzung des Internets einbezogen werden.
Kultur ist für Rot-Grün ein Standortfaktor, um die Menschen in den Bezirk zu locken, eine Möglichkeit der „gemeinsamen Freizeitgestaltung“. Deshalb wird die „vielfältige Landschaft“ in Sachen Kultur begrüßt. Dafür muss es natürlich auch Räume geben und die Stadtteilkultur soll gefördert und Sportanlagen saniert werden.
Bürgerbeteiligung steht hoch im Kurs und Rot-Grün kommt daran nicht vorbei. Allerdings: Über die Funktion der Meinungsäußerung soll es in den Instrumenten der Koalition nicht hinausgehen. Und um zu verschleiern, dass der Bürger nichts mitzuentscheiden hat, solle viel digital und interaktiv sein.
Alles in allem ein solides Programm ohne große Ausreißer nach unten, aber auch ohne nennenswerte Höhen oder gar wirklich neues und innovatives. Ein bisschen langweilig rot-grün eben. Bedauerlich ist, dass eine rot-grüne Koalition die Kultur nur als Standortfaktor und Freizeitvergnügen sieht und nicht zumindest als etwas, was den Menschen – aktiv und passiv – zur Entfaltung ihrer Persönlichkeit dient. Die Formen der Bürgerbeteiligung sind zahnlos - eher Demokratiesimulation als echte Beteiligung. Fürchet sich Rot-Grün vor den Bürgern?