Neugraben. Seit ein paar Tagen wird auch in Hamburg mit dem Corona-Impfstoff von Biontech geimpft. Heute Vormittag nehmen Bürgermeister Peter Tschentscher und Gesundheitssenatorin Dr. Melanie Leonhard das hamburgweite Impfzentrum in den Messehallen in Betrieb.
Zeitgleich wurde durch eine Pressemitteilung des umstrittenen Tierversuchslabor Laboratory of Pharmacology and Toxicology (LPT) bekannt, dass der Impfstoff von Biontech auch bei der in Neugraben ansässigen Pharmafirma mit Laboren in Neugraben und Löhndorf (Schleswig-Holstein) an Tieren getestet wurde.
Gegen LPT gab es 2019 und 2020 heftige und große Proteste von Tierschützern, nachdem durch einen Undercover-Aktivisten der SOKO Tierschutz skandalöse Zustände bei der Haltung der Tiere und den Versuchen mit Fotos öffentlich gemacht wurden. Das Tierversuchslabor in Mienenbüttel in Neu Wulmstorf wurde vom Landkreis Harburg geschlossen. Das Labor in Neugraben, das im Februar 2020 dicht machen musste, konnte unter Auflagen im August wiedereröffnen.
„Wir sind stolz darauf, einen frühen und wichtigen Beitrag zur Entwicklung dieses Corona-Impfstoffes geleistet zu haben. Während vor den Laboren Demonstranten gegen Tierversuche protestierten, haben unsere Mitarbeiter trotz vieler Anfeindungen an der Sicherheit des Impfstoffes gearbeitet“, so LPT-Geschäftsführer Thomas Wiedermann. Schon im Januar war damit begonnen worden, die Tierversuche vorzubereiten.
„Es ist eine einmalige Ausnahme, dass ein Auftraggeber sich öffentlich bedankt. Sonst gilt eine absolute Verschwiegenheit“, erklärt Wiedermann weiter. Der Impfstoff war in Rekordzeit entwickelt worden. Prof. Ugur Sahin, CEO und Mitgründer von Biontech, hatte sich in einer Pressemitteilung vom 31. Dezember 2020 „bei jeder einzelnen Person“ bedankt, „die mitgeholfen hat, dies zu erreichen.“
Allerdings: Es sind 134 Firmen, die von Biontech aufgezählt werden, darunter auch weitere Labore. Das LPT ist somit nur eine von vielen. Tierversuche sind bei der Zulassung von Medikamenten auch zwingend gesetzlich vorgeschrieben.
Biontech selbst hat für sich ethische Regeln aufgestellt, worauf bei Tierversuchen zu achten ist: „Wir engagieren uns für den ethischen und humanen Umgang mit Versuchstieren: Schmerzen und Stress sollten minimiert werden. Der Schutz von Tieren ist nicht nur gesetzlich vorgeschrieben, sondern auch richtig. Alle Mitarbeiter, die an der Entwicklung und Durchführung von Tierversuchen beteiligt sind, müssen entsprechend geschult und qualifiziert sein.“ (Website von Biontech).
Dass das LPT diesen Ansprüchen genügt dürfte zumindest hoch umstritten sein. Außerdem gibt es die Vermutung, dass LPT aus einem ganz einfachen Grund ausgewählt wurde: Weil dort kurzfristig Kapazitäten frei waren nachdem aufgrund des Skandals eventuell die Kunden ausblieben.
„Das Gesetz schreibt Tierversuche vor, bevor ein Impfstoff zugelassen wird - und wir benötigen dringend Impfstoffe gegen das Coronavirus. Aber dass sich Herr Wiedermann und LPT jetzt auf die Schulter klopfen, so tun, als ob sie die Heilsbringer wären und versuchen, die Demonstranten, die sich gegen die Tierquälerei in den Laboren dieses Unternehmens engagiert habe, zu diskreditieren und ihren Protest ins Lächerliche zu ziehen, ist schlicht eine Unverschämtheit“, so Jörn Lohmann, Fraktionsvorsitzender Die Linke. in der Harburger Bezirksversammlung. Die Linke. hatte sich mit Anträgen in der Bezirksversammlung für die Schließung der LPT-Labore stark gemacht. „Denn Fakt ist und bleibt: Es hat die Tierquälereien in den Laboren von LPT gegeben. Und daran ändert auch der Corona-Impfstoff nichts.“