Harburg. Fast schon hatte man die AfD-Abgeordneten in der Bezirksversammlung für harmlos gehalten. Aus welchem Interesse auch immer, kümmerten sie sich in der vergangenen Zeit intensiv um Harburgs Bordelle.
Nun hat die AfD auch in der Bezirksversammlung die Maske fallen lassen: Einen „Asylstopp für Harburg“ fordern die Rechtspopulisten in der Bezirksversammlungssitzung am Dienstag. Die „Kapazitätsgrenze“ sei erreicht, so die AfD. Als Beleg dafür ziehen sie eine Bevölkerungsschätzung des Statistikamts Nord vom 22. Mai 2017 heran, nach der im Bezirk Harburg überdurchschnittlich viele Menschen mit Migrationshintergrund leben (44,3 Prozent – gesamt Hamburg: 34,1 Prozent).
Für die AfD anscheinend alles Geflüchtete, weshalb sie auch noch beschwörend hinzufügen: „Der Familiennachzug ist noch nicht kalkulierbar“. Auch bestünde angesichts der „Vielzahl von Migranten“ die „Gefahr sozialer und gesellschaftlicher Ausgrenzung.“ Bei „den noch zu erwartenden Flüchtlingen ist diese Gefahr besonders groß, weil sie bereits gefügte Strukturen der jeweiligen Heimatnationen vorfinden, die eine Partizipation und Teilhabe in der aufnehmenden Gesellschaft aus verschiedenen Gründen erschweren.“
Und so wird in der weiteren Antragsbegründung, ganz nach AfD-Manier, den Geflüchteten alles Übel in die Schuhe geschoben. Die Misere auf dem Wohnungsmarkt, die schlechte medizinische Versorgung, fehlende Kita-Plätze, überlastete Schulen und Sportstättenmangel erscheint im AfD-Antrag als Schuld der Geflüchteten.
Was die AfD verschweigt: In der Schätzung geht es gar nicht um Geflüchtete, sondern allgemein um Menschen mit Migrationshintergrund. Und dazu gehört laut Statistikamt Nord „die ausländische Bevölkerung sowie alle ab 1950 von außerhalb Deutschlands Zugewanderten unabhängig von ihrer Nationalität. Dazu zählen auch die in Deutschland geborenen eingebürgerten früheren Ausländerinnen und Ausländer sowie in Deutschland geborene Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren mit deutscher Staatsangehörigkeit, bei denen sich der Migrationshintergrund aus der Migrationserfahrung der Eltern oder eines Elternteils ableitet“. Also alle, die nach 1950 (außer Vertriebene und Flüchtlinge aufgrund des Weltkrieges) in die Bundesrepublik gekommen sind und keine deutsche Staatsbürgerschaft hatten sowie deren Kinder. Sprich: In den 44,3 Prozent im Bezirks Harburg sind auch Polen, Portugiesen, Griechen, Franzosen, Österreicher, Italiener und noch einige mehr aus EU-Ländern. Eine große Gruppe stellen in gesamt Hamburg die Türken, die teilweise schon seit Jahrzehnten hier leben. Was in der Schätzung überhaupt nicht erfasst wird: Wann kamen sie in die Bundesrepublik, aus welchen Gründen, sind sie vielleicht gar hier geboren?
Weiterhin stellt das Statistikamt Nord klar: "Durch den Flüchtlingszustrom in den letzten beiden Jahren sind in Hamburg andere Länder als Bezugsländer in den Fokus gerückt. So wurden Ende 2016 deutlich mehr Menschen mit syrischem, afghanischem, irakischem, rumänischem, bulgarischem und eritreischem Migrationshintergrund ermittelt, als noch Ende 2014. Diese Auswertungen beziehen sich allerdings ausschließlich auf Personen, die im Hamburger Melderegister registriert waren." DIe Schätzung gibt also über die eigentliche Zielgruppe der AfD-Hetze keinen oder nur wenig Aufschluss.
Für ihre Hetze gegen Geflüchtete verdreht die AfD also schlicht die Fakten. Von den laut dieser Schätzung 2017 in gesamt Hamburg lebenden Menschen mit Migrationshintergrund (rund 630.000) waren laut einer Meldung der Mopo vom 21. Juni 2017 nur rund 50.000 Geflüchtete (Stand April 2017). Die AfD schimpft gerne auf die Lügenpresse und die Lügenpolitiker. Mit den Fakten – so zeigt es sich wieder einmal - ist sie es selbst, die es für ihre Weltsicht nicht so genau nimmt.