DRK-Kriseninterventionsteam hat 2022 so viele Kinder betreut wie nie zuvor
Harburg. Eine Mutter mit zwei Kindern, die an Heiligabend erfahren müssen, dass der Vater der Familie auf dem Nachhauseweg tot zusammengebrochen ist: Was unvorstellbar tragisch klingt, ist für Malte Stüben, Leiter des Kriseninterventionsteams (KIT), und seine Kolleginnen und Kollegen vom DRK Hamburg-Harburg einer der härtesten Einsätze aus dem vergangenen Jahr. Insgesamt 1.748 Menschen haben sie 2022 betreut. 187 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren (10,7%) waren darunter – so viele wie nie zuvor. „Wir haben ein intensives Jahr hinter uns“, gibt Stüben zu.
Das KIT leistet „Psychosoziale Akuthilfe“: Die Ehrenamtlichen betreuen Angehörige unmittelbar nach einem plötzlichen Todesfall, Augenzeugen einer Gewalttat oder schockierte Unfallbeteiligte.
Im Jahr 2022 gab es 506 Einsätze in ganz Hamburg. Das ist die bisher höchste Zahl in den 25 Jahren, die das KIT besteht. Darunter 187 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren - ein trauriger Rekord: „Sind Kinder beteiligt, werden die Einsätze deutlich belastender. Je näher es an den eigenen Lebensumständen ist, desto schwerer“, erklärt Teamleiter Malte Stüben. Wie Einige aus seinem 55-köpfigen Team hat auch er Kinder.
Für Fälle, in denen Minderjährige betroffen sind, ist das KIT extra qualifiziert und sowieso stets zu zweit vor Ort. „Begleiten wir beispielsweise die Polizei beim Überbringen einer Todesnachricht zu den Angehörigen, kümmert sich einer von uns um die Erwachsenen vor Ort, der andere hat das Augenmerk auf den Kindern“, schildert Stüben. „Je nach Alter und Entwicklungsstand versuchen wir, mit den Kindern in Kontakt zu kommen. Wir erklären, was passiert ist, warum die Polizei in der Wohnung ist. Ich ermuntere die Kinder immer, dass sie mich alles fragen dürfen und es keine doofen Fragen gibt.“
Fragen und wechselnde Emotionen erleben die KIT-Helfer in dieser Extremsituation wieder und wieder. Stüben: „Manche Kinder schweigen, manche weinen, spielen dann, manche nehmen uns in den Arm, manche wollen Details wissen. Wir nehmen uns bei Kindern deutlich mehr Zeit, um allen Reaktionen Raum zu geben.“
Eine weitere KIT-Aufgabe bei Einsätzen ist die Hilfe beim Organisieren des Alltags und das Knüpfen eines Netzwerkes. „Wir besprechen mit den Angehörigen, wen oder was das Kind braucht, ob und wann es wieder in die Schule geht, was stabilisieren und vielleicht ein Stück Normalität geben kann.“
Dabei schlägt das KIT auch die Brücke zu weiterführenden Hilfsangeboten. „Die Familien benötigen meist mehr als unsere Akuthilfe. Wir vermitteln zum Beispiel den Kontakt zu Beratungszentren oder Therapeuten und gehen nie aus einem Einsatz, ohne etwas angebahnt zu haben.“
Einsätze wie der von Heiligabend nehmen alle mit. Sie werden im Team und auch im Rahmen von Supervisionen (fachlich begleitete Einsatzbesprechungen) nachbereitet. „Für uns ist das Gefühl wichtig, dass wir im Sinne der Betroffenen das Beste versucht und die ersten Weichen gestellt haben“, so Stüben. „Sonst könnten wir diese Aufgabe nicht machen.“
Wer sich im KIT engagieren will, muss bei der Schulung ein eigenes Qualifizierungs-Modul zum Umgang mit potenziell traumatisierten Kindern und Jugendlichen absolvieren, auch jährliche Fortbildungen gehören dazu.
Das 55-köpfige KIT arbeitet ehrenamtlich, unentgeltlich und rund um die Uhr. Alarmiert wird das Team durch die Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten oder durch das Institut für Rechtsmedizin.
Wer das KIT mit einer Spende bspw. für Fortbildung und Ausrüstung unterstützen will:
Spendenkonto DRK Harburg
IBAN: DE09 2005 0550 1262 1133 33
BIC: HASPDEHHXXX
Hamburger Sparkasse
Stichwort: KIT