AfD und CDU heizen SPD-Zoff weiter an

Harburg. Die rechtsextreme AfD und die CDU haben es sich in der April-Sitzung der Bezirksversammlung nicht nehmen lassen, in dem seit Monaten schwelenden Machtkampf in der Harburger SPD Partei zu ergreifen. Sie stimmten gegen den Personalvorschlag der Genossen, den jungen Bezirksabgeordneten Markus Sass aus dem Jugendhilfeausschuss abzuberufen und durch die „zubenannte Bürgerin“ Claudia Oldenburg zu ersetzen. Für den SPD-Antrag gab es 23 Stimmen, gegen den Antrag ebenfalls 23 Stimmen bei vier Enthaltungen. Damit war der Antrag abgelehnt, Sass bleibt im Jugendhilfeausschuss.
Die Abstimmung hatte geheim stattgefunden. Bei 50 abgegebenen Stimmen, davon vier Enthaltungen, sowie der begründeten Annahme, dass die fünf SPD-Abgeordneten um Sass gegen den Antrag stimmten und der Rest aus SPD, Grünen und Linken (19 Stimmen, da ein Abgeordneter fehlte) dafür, bleiben 22 Stimmen von Mitgliedern aus der Opposition, die dem Antrag nicht zugestimmt haben*. Es sei denn, man geht davon aus, dass wesentliche Teile der rot-rot-grünen Koalition gegen den Antrag gestimmt hätten. Nach der Abstimmung registrierten Beobachter, wie Abgeordnete von CDU und AfD Markus Sass auf die Schultern klopften und ihn sogar umarmten.*.
Seit Juni 2024, also seit der Wahl zur Bezirksversammlung liegen Benizar Gündogdu, Mehmet Kizil, Dennis Wacker, Arne Thomsen und Markus Sass im Clinch mit den anderen zehn SPD-Mandatsträgern. Rein theoretisch wären sie zusammen die stärkste Fraktion im Harburger Rathaus, doch dieses Gestaltungspotenzial ließen sie ungenutzt und stürzten sich vor den Kandidatenaufstellung für Bürgerschaft und Bundestag in den innerparteilichen Machtkamp mit allen Ausprägungen, die man seit Jahren, wenn nicht sogar seit Jahrzehnten von Torsten Fuß, dem notorischen Strippenzieher aus dem SPD-Distrikt Harburg-Ost kannte.
So überraschte es kaum, als die last (wo)men standing der legendären Fuß-Truppen mit einem bewährten Vorwurf an die Öffentlichkeit gingen – nämlich dem immer wieder wirkungsmächtigen und nur schwer widerlegbaren Rassismus-Vorwurf. Torsten Fuß hatte dies schon seinen Genossen vorgeworfen, sein Parteibuch hinterhergeschmissen, war auf der Mai-Demo anno 24 Seite an Seite mit der Hamburger Wagenknecht-Spitzenkandidatin Żaklin Nastić aufgetaucht und später in der Versenkung verschwunden.
Was die fünf Abweichler wirklich trieb, verrieten sie später in einem Statement exklusiv für Besser-im-Blick: „Wir stehen für eine politische Kultur, die auf Transparenz, Beteiligung und wechselseitigem Respekt basiert – auch und gerade in einer innerparteilichen Auseinandersetzung. Unser Verständnis von Erneuerung bedeutet, Mitglieder stärker in Entscheidungsprozesse einzubinden, neue Beteiligungsformate zu erproben und eine offene Diskussionskultur zu fördern. Dies unterscheidet sich von einem Politikstil, der häufig von intransparenten Abstimmungen, informellen Absprachen und einem Verständnis von Geschlossenheit geprägt ist, das konstruktive Kritik erschwert.“
Dies sei keine Frage des Alters, vielmehr seien sie überzeugt, dass es auch unter den langjährigen Mitgliedern viele gebe, die offen für neue Ideen sind, ebenso wie es unter neueren Mitgliedern unterschiedliche Haltungen gibt.

Nachdem die Gündogdu & Co. ihre abweichenden Auffassungen auch mit Abwesenheit bei Fraktionsbesprechungen und in den Sitzungen der Bezirksversammlung demonstrierten und damit die längst verhandelte Koalition mit den Grünen und der Linken verhinderten, griffen die Fraktionsspitze um Frank Richter und Nathalia Sahling zu drastischen Sanktionen. Sie entzogen den fünf Abweichlern ihre Mandate in Fachausschüssen, bei Markus Sass indes klappte das nicht. Denn in den Jugendhilfeausschuss wird man nicht berufen, sondern gewählt. Und so blieb er mit Hilfe von AfD und CDU im Ausschuss.
Vor der Abstimmung in der Bezirksversammlung hatten die Harburger Jusos (Vorsitzender Mehmet Kizil**) in einer Presseinfo noch Stimmung gegen Richter und Sahling gemacht: „Fünf Abgeordnete, vier davon Jusos, wurden ohne nachvollziehbare Begründung aus Ausschüssen abberufen.“ Solche Entscheidungen entzögen engagierten Abgeordneten die Möglichkeit zur inhaltlichen Mitarbeit, behinderten die politische Arbeit im Bezirk und schienen Ausdruck einer unverhältnismäßigen und willkürlichen Entscheidung des Fraktionsvorstands unter der Führung von Frank Richter und Natalia Sahling zu sein.
Frank Richter reagierte auf Anfrage von Besser-im-Blick kühl: „Eine Stellungnahme aus einem Paralleluniversum!“ Wer sich politisch weder inhaltlich noch per Anwesenheit beteilige, könne nicht klagen, ihm würden Beteiligungsmöglichkeiten entzogen. Wer das in sie gesetzte Vertrauen der Wähler verrate, indem man gewählte Mehrheitsverhältnisse untergräbt, könne nicht über politischen Vertrauensverlust schwadronieren, wenn das Konsequenzen habe.
Richter: „Die Konsequenzen ihrer Arbeitsverweigerung trägt Harburg, weil unter anderem deshalb gerade keine Bezirksamtsleitung im Amt ist und politische Initiativen steckenbleiben. Wer durch gemeinschaftlichen Boykott der Bezirksversammlungssitzungen Abstimmungskonstellationen mit der AfD zu Mehrheiten verhilft, sollte sich schämen, den Begriff Verantwortung zu benutzen.“
*In einer vorigen Version des Artikels fehlte, dass es eine geheime Abstimmung gewesen ist. Wir haben dies nachgetragen.
** Auf der wohl seit Jahrren nicht mehr aktualisierten Website der Jusos Harburg stand noch Benizar Gündogdu als Juso-Vorsitzende. Wir haben auch dies korrigiert.