Bezirksversammlung: stabile Mehrheit nicht in Sicht

Harburg. Ist er das? Oder ist er das nicht? Ein Stadtgeländewagen mit Hannoveraner Kennzeichen im Innenhof des Harburger Rathauses sorgte kurz vor Beginn der Bezirksversammlung für Aufregung. Ist der neue Bezirksamtsleiter etwa schon da? Wenn er es denn wirklich gewesen wäre, hätte er sich nach der zweieinhalbstündigen Sitzung womöglich gefragt, ob er den Job in Harburg wirklich antreten sollte.
Manche schwärmen ja von wechselnden Mehrheiten, das sei „wahre Demokratie“. In Harburg geht es zurzeit gar nicht anders. Sechs Fraktionen, dazu sechs fraktionslose Abgeordnete aus drei Parteien unter einen Hut zu bringen, wird aber nie zuverlässig gelingen. Die Bürgerinnen und Bürger hatten der SPD im Juni 2024 zwar überraschend eine deutliche Mehrheit beschert und ihr damit auch den Auftrag erteilt, Harburgs Zukunft entscheidend mitzugestalten.
Zu Beginn war man sich einig
Nach wenigen Monaten ist das bekanntlich alles zerbröselt, die SPD-Fraktion ist geschrumpft, dafür sitzen fünf weitere Abgeordnete mit SPD-Parteibuch ohne Fraktionszwang im Sitzungssaal und genießen es spürbar, ihre Genossen vorzuführen. Bisher haben sich Benizar Gündogdu, Mehmet Kizil, Dennis Wacker, Markus Sass und Arne Thomsen öffentlich nicht über ihre politische Zukunft geäußert, gelegentlich war zu hören, dass sie es nicht auf einen Bruch mit ihrer Partei ankommen lassen wollen.
Die ersten Tagesordnungspunkte wurden erstaunlich harmonisch abgearbeitet. Man war sich weitgehend einig und bewilligte unter anderem 23.766,15 Euro für die energetische Sanierung und Ersatz von Fensterscheiben beim Segelflug-Club Fischbek, 16.000 Euro für die Kunstkarawane des Elbdeich e.V. und 5.450 Euro für den Laternenlauf der Harburger Schützengilde. Einig war man sich auch darüber, wie wichtig Inklusion im öffentlichen Raum ist und dass deshalb in der Friedhofstraße die Barrierefreiheit beim Übergang zwischen Bürgersteig und Fahrbahn überprüft werden sollte.

CDU machte Rückbau der B73 erneut zum Thema
Auf den nächsten Antrag hatten viele wohl schon gewartet. Die CDU wollte unbedingt durchsetzen, dass die B73 eines Tages nicht auf zwei Fahrstreifen verengt wird. Deshalb hatten sie schon in der März-Sitzung der Bezirksversammlung einen Antrag eingebracht, in dem es bis zur endgültigen Fertigstellung der A26-Ost „keine weiteren Planungen zum Rückbau der B73“ geben soll. Das durchkreuzte die Pläne der Möchtegern-Koalition aus SPD, Grünen und der Linken, dennoch gab es eine Mehrheit für den CDU-Antrag – weil die Genossen ohne Fraktionszwang wie zufällig gerade Pipi mussten.
Dennoch war für die CDU nichts gewonnen, weil der amtierende Bezirksamtsleiter Christian Queckenstedt den Antrag beanstandete. Das darf er, wenn der Antrag seiner Ansicht nach gegen gewisse Regeln verstößt. Er wies darauf hin, dass die Planungen für die Zukunft der B73 Teil des Magistralenkonzepts des Senats seien. Da habe der Bezirk nichts zu melden.
Doch CDU-Fraktionschef Rainer Bliefernicht ließ nicht locker – motiviert wohl auch durch die Tatsache, dass er nun dank der fraktionslosen SPD’ler doch noch Anführer der stärksten Fraktion geworden ist. Diesmal forderte er einen Stopp „aller baulichen Maßnahmen“ zur Verengung der B73 bis zur Fertigstellung der A26-Ost.
Das wiederum fand SPD-Fraktionschef Frank Richter unlogisch, weil ja vor allem der Bau der A26 (nicht Ost) Entlastung für die B73 bringen würde. Deshalb beantragte er einen Baustopp für alles östlich der Autobahn-Anschlusstelle Heimfeld.
Der CDU-Antrag, der auch vom fraktionslosen FDP-Abgeordneten Dirk Kannengießer unterstützt wurde, war der „weitergehende“ Antrag, deshalb wurde zuerst über ihn abgestimmt. Und er kam wieder durch – wie einst im März. Der Unterschied: Diesmal waren Benizar & Co. nicht austreten, diesmal stimmten sie mit der CDU, gegen die SPD-Fraktion.
Kandidaten für die Bezirksamtsleitung: Es wird Zeit, dass Namen genannt werden
Wie zu hören ist, sollen sich die Fraktion der Bezirksversammlung inzwischen auf zwei Kandidaten für das Amt des Bezirksamtsleiters geeinigt haben. Einer soll dann gewählt werden – aber von wem?
Inzwischen wird es im Übrigen höchste Zeit, dass die Namen der Kandidaten nun mal veröffentlicht werden. Oder ist es das Privileg einer kleinen Zahl von Fraktionsvorsitzenden, den Namen des nächsten Harburger Bürgermeisters so lange geheim zu halten? Eins ist klar: Der Stadtgeländewagen (SUV) im Innenhof des Rathauses gehörte einem Handwerker.