Von AfDs Gnaden? CDU möchte neuen Bezirksversammlungs-Vorsitzenden wählen lassen – aber mit welchen Stimmen?
Harburg. Die Karten in der Harburger Bezirksversammlung wurden in diesem Jahr kräftig neu gemischt. Fünf Abgeordnete der SPD waren nach monatelangem Streit aus ihrer Fraktion ausgetreten und sind seitdem fraktionslos. Als Resultat davon sind die Sozis seitdem mit ihren verbliebenen zehn Abgeordneten nicht mehr die stärkste Fraktion. Das ist nun die CDU mit zwölf Mitgliedern.
CDU will Vorsitz neu wählen lassen
Zeit also, denken CDU-Fraktionschef Rainer Bliefernicht und seine Truppe, die unverhofft wie die Jungfrau zum Kinde in diese Position geschliddert sind, den neuen Kräfteverhältnissen nach den Ausschüssen auch im Präsidium Rechnung zu tragen. Und so liegt für die morgige Sitzung ein Antrag auf Neuwahl des Präsidiums vor. Neuer Vorsitzender soll der bisherige 1. Stellvertreter Robert Timmann werden - und damit Holger Böhm (SPD) ersetzen.
Argument: Die Bezirksversammlung werde seit jeher von der stärksten Fraktion präsentiert, so die Christdemokraten. Um diese demokratische Gepflogenheit fortzuführen sei es erforderlich, das vorsitzende Mitglied neu zu wählen.
SPD: Keine rechtliche Grundlage oder durch Gepflogenheit
Wo das stehe, fragt dementgegen SPD-Fraktionschef Frank Richter im Gespräch mit besser-im-blick. Und in der Tat: Weder in der Geschäftsordnung der Bezirksversammlung noch im Bezirksverwaltungsgesetz findet sich darüber ein Wort. Erst in der Geschäftsordnung der Bürgerschaft findet sich, dass das Präsidium in der Reihenfolge der Stärke der Fraktionen besetzt wird. Aber in Paragraf 2 ist auch geregelt, dass das Präsidium zu Beginn für die gesamte Legislatur gewählt wird. Also nichts von wegen Fraktions-Hopping und neue Mehrheitsverhältnisse. Das Präsidium bleibt, wie es ist.
Die CDU kann sich mithin nicht auf eine demokratische Gepflogenheit in Hamburg berufen. Denn die einzige Regelung, die es in Hamburg gibt, regelt: Einmal gewählt, besteht das Präsidium bis zum Schluss der Legislatur.
Bei einem Sterbefall oder einem Rücktritt müsse es erneute Wahlen geben, gesteht Frank Richter zu. „Aber Holger Böhm lebt und wohnt auch im Bezirk Harburg!“
„Im Übrigen sind wir menschlich schwer enttäuscht“, so Richter. Niemand aus der CDU, auch Böhms Präsidiums-Kollege Robert Timmann nicht, habe die SPD oder Holger Böhm im Vorwege informiert. „Das hätte man tun sollen.“
CDU: Müssen neuen Verhältnissen Rechnung tragen
Der SPD sei ein Drittel ihrer Fraktion abhanden gekommen und das sei eine vollkommen andere Situation als zu Beginn der Legislatur, findet Bliefernicht auf Anfrage von besser-im-blick. „Dem muss Rechnung getragen werden. Was kann ich dafür, dass die SPD sich selbst zerlegt?“ Eine solche Situation habe er in seiner Karriere noch nicht erlebt. „Was hier abgeht, ist unglaublich!“
Mit welchen Stimmen die CDU den Antrag durchbringen will, ist noch nicht so ganz klar. Die SPD wird nicht zustimmen. Für die DIE LINKE. erklärte deren Fraktionsvorsitzender Jörn Lohmann ebenfalls ein Nein. Die Grünen seien laut ihrer Vorsitzenden Bianca Blomenkamp „aktuell noch in Gesprächen“.
Im Zweifel mit der AfD?
Sollten auch die Grünen nicht zustimmen, ist die CDU auf Stimmen von der AFD angewiesen. Denn selbst wenn Volt, die beiden fraktionslosen FDPler und die fünf fraktionslosen Sozis zustimmen, fehlen noch vier Stimmen. Die dann nur aus den Reihen der AfD kommen können.
Würde die CDU ihren Antrag dann sehenden Auges zusammen mit der AfD durchbringen wollen? Dazu möchte sich Bliefernicht nicht gerne äußern. Diese Diskussion führe er nicht, sagte er gegenüber besser-im-blick. „Es ist eine geheime Wahl.“ Er wolle sich erst damit beschäftigen, wenn es so weit sei. Bei Veröffentlichung des Artikels hat er dazu noch rund 30 Stunden. Man werde sehen, wie das Ergebnis sei, und dann schauen, ob „Robert“ die Wahl annehme.
