Mit wem koaliert die SPD? Ein Richter macht es Frank Richter nicht leichter
Harburg. Die Karten liegen auf dem Tisch. Nach den Sondierungsgesprächen in dieser Woche muss jetzt der Kreisvorstand der Harburger SPD entscheiden, mit wem die Genossen eine Koalition für die kommenden fünf Jahre vereinbaren wollen. Fraktionschef Frank Richter scheint ein Dreier-Bündnis mit den Grünen und der Linken zu bevorzugen. Doch nun hofft die CDU, mit einem überraschenden Personalvorschlag eine Trumpfkarte in der Hand zu haben.
Dabei hat der Vorschlag Insider kaum überrascht. Denn der Vorsitzende Richter am Hamburger Verwaltungsgericht Klaus Thorwarth war vor fünf Jahren schon mal als Kandidat für das Amt des Bezirksamtsleiters im Gespräch. Die Große Koalition aus SPD und CDU suchte einen Nachfolger für den verstorbenen Bezirksbürgermeister Thomas Völsch.
Frank Richter, damals noch SPD-Kreisvorsitzender, hatte sich schnell auf die ehemalige Jugendamtschefin Sophie Fredenhagen festgelegt. Die CDU lehnte die Kandidatin rigoros ab und versuchte, Fredenhagen mit einer Rufmordkampagne zu Fall zu bringen. Sie schlug stattdessen Klaus Thorwarth vor, damals ein durchaus respektabler Genosse. Doch Richter blieb bei seinem Vorschlag, behauptete Thorwarth habe sich „zu spät gemeldet“. Die Folge: Die Große Koalition zerbrach, Fredenhagen wurde mit Stimmen der Grünen und der Linken gewählt und Thorwarth gab sein SPD-Parteibuch zurück.
Jetzt hat CDU-Fraktionschef Rainer Bliefernicht seinen Nachbarn aus Marmstorf wieder ins Gespräch gebracht. Bliefernicht würde gern mit der SPD koalieren, nur die „Kröte“ Fredenhagen will er nicht schlucken, dazu müssten seine Parteifreunde und er zu viel der früheren Kritik an der Bezirksamtsleiterin ignorieren. Da treffe es sich doch gut, dass die sechsjährige Amtszeit von Fredenhagen ohnehin im September ende. Frischer Wind tue Harburg sicher gut.
Idee wurde beim Vogelschießen "ausgebrütet"
Die Idee, Thorwarth ins Rennen zu schicken, soll in einer Männerrunde während des diesjährigen Marmstorfer Vogelschießens aufgefrischt worden sein. Beteiligt sollen Bliefernicht, Thorwarth und der frühere SPD-Bezirksabgeordnete Torsten Fuß gewesen sein. Und damit ist jedem klar, dass es sich um ein vergiftetes Angebot handelt. Torsten Fuß hatte die SPD im vergangenen Jahr verlassen, hatte ihr Rassismus vorgeworfen, hat seitdem aber immer noch im Hintergrund so manche Fäden gezogen. Wer die engen, Parteigrenzen vernachlässigenden Beziehungen zwischen Bliefernicht und Fuß kennt, wundert sich auch nicht, dass ausgerechnet Fußes „politische Ziehtochter“ Benizar Gündogdu nach den Wahlen zur Bezirksversammlung eine große Koalition gefordert hat.
Der Kandidat Thorwarth wäre als Kandidat für den Chefposten im Bezirksamt durchaus geeignet. Der Jurist hatte vor wenigen Wochen Schlagzeilen gemacht, als er den Leiter des Bezirksamts Nord Michael Werner-Boelz in einer Verhandlung in der Kammer 17 des Verwaltungsgerichts in die Schranken wies und ihm den Bruch des Neutralitätsgebots für öffentliche Amtsträger bescheinigte. Werner-Boelz hatte dem AfD-Bezirksvorsitzenden Krzysztof Walczak vorgeworfen, er sei „Bruder im Geiste Putins“ und er „teile die ähnliche reaktionäre Denke wie Herr Putin“. Das sei „widerwärtig!“.
Thorwarth war außerdem im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss Leiter des Arbeitsstabs. Ein Wechsel vom Verwaltungsgericht zum Bezirksamt würde sich für ihn finanziell lohnen. Als Vorsitzender Richter wird er nach „R2“ besoldet, als Bezirksamtsleiter nach „A4“. Schon beim Grundgehalt macht das einen Unterschied von monatlich gut 2.000 Euro aus.
Vorschlag nur zum Unruhe stiften?
besser-im-blick hat sich bei den Genossen umgehört, was sie über die Kandidatur von Thorwarth wissen. Die einhellige Antwort: „Ich weiß nur, dass er bestimmt nicht Bezirksamtsleiter wird.“ Ob das auch für den SPD-Kreisvorstand gilt, ist fraglich. Dieser muss jetzt entscheiden, mit welchen Parteien die SPD konkrete Koalitionsverhandlungen aufnimmt.
Dass im Kreisvorstand die Mehrheitsverhältnisse anders sind als in der Fraktion, weiß natürlich auch Bliefernicht – bestens informiert durch den Ex-Genossen Fuß. Wenn das Angebot „Thorwarth“ nur darauf abzielt, bei der SPD Unruhe zu stiften, könnte es auch nach hinten losgehen. Wäre die CDU stärkste Fraktion geworden, hätte sie sicher nicht Thorwarth vorgeschlagen.