Verschwundenes Mahnmal gegen das Vergessen
Harburg. Viele haben es vergessen, manche erinnern sich noch. Die meisten aber wissen nichts von dem Denkmal am Harburger Ring, neben dem Fischladen von Mimi Kirchner, direkt am Fußgängertunnel zwischen Sand und Rathausplatz. 1986 hatte dort das Künstlerpaar Esther Shalev-Gerz und Jochen Gerz das „Mahnmal gegen den Faschismus“ errichtet, eine knapp 13 Meter hohe Stahlstele, ummantelt von einer zentimeterdicken Bleischicht. Die Assoziation zu den Schornsteinen der Vernichtungslager der Nazis war durchaus gewollt.

In den kommenden Jahren wurde die Stele Stück für Stück abgesenkt, bis sie 1993 komplett im gemauerten Untergrund verschwand, nur durch eine immer trüber werdende Scheibe schemenhaft zu erkennen war und allmählich in Vergessenheit geriet.
Hamburgs Stadtkuratorin Joanna Warsza hat jetzt zusammen mit dem „Kunstverein im Harburger Bahnhof“ und mit „Taimakoo. Verein für Völkerverständigung“ zu einer „Performativen Aktivierung“ des Mahnmals eingeladen – zugleich der Auftakt zu einer ganzen Reihe von Veranstaltungen rund um Hamburgs Gegen-Denkmäler. Dabei soll der Frage nachgegangen werden, wie man sich in einer Gesellschaft kritisch, sensibel und zeitgemäß mit dem öffentlichen Raum auseinandersetzt, die durch Erfahrungen mit Migration geprägt wurde und in der Migration nicht mehr als Sonderfall erlebt wird.
Wie aber kann ein Denkmal aktiviert werden, das aus den Augen verschwunden ist und genau damit das Vergessen zu fördern scheint?
Bei der Einweihung des Mahnmals vor 39 Jahren sagte Künstler Jochen Gerz: „Entweder das Denk-Mal funktioniert, das heißt es wird durch die Initiative der Bevölkerung überflüssig gemacht. Oder es bleibt bestehen als Denk-Mal des Nichtfunktionierens, als Menetekel.“ 33 Jahre nach der Einweihung war Jochen Gerz erneut in Harburg, damals war er sich mit der Harburger Sozialdezernentin Dr. Anke Jobmann und mit Prof. Dr. Rainer Maria Weiss vom Helms-Museum einig: Das Mahnmal wird ewig bleiben.
Und heute? „Das Mahnmal erscheint heute dringender denn je“, sagt Stadtkuratorin Joanna Warsza. „Nicht um zu trösten, sondern um zu provozieren.“ Dazu soll auch die Renovierung beitragen, die nach schier endlosen Diskussionen und bürokratischen und sonstigen Hürden endlich fertiggestellt wurde und auch wieder den Blick auf die versenkte Stele freigibt, in deren Bleimantel auch Liebesschwüre und Hakenkreuze eingeritzt worden sind. „Es ist ein sehr emotionaler Moment für mich, nach den vielen Jahren wieder hier zu sein“, sagt Esther Shalev-Gerz. Vieles existiere für sie nur noch in der Erinnerung.
