Harburger SPD vorübergehend einig
Harburg. Nach ihrem überraschenden Erfolg bei der Wahl zur Bezirksversammlung hat die Harburger SPD Tritt gefasst und einige längst überfällige Entscheidungen getroffen. Die Heimfelder Bürgerschaftsabgeordnete Claudia Loss übernahm Verantwortung und wurde mit großer Mehrheit als neue Kreisvorsitzende gewählt. Ihr zur Seite stehen Sven Hey und Fraktionsgeschäftsführer Henning Reh sowie Kassiererin Birgit Rajski.
Auf ihrer Kreisdelegiertenversammlung im Stadtteilzentrum „Feuervogel“ entschied sich die Harburger SPD ganz klar für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit den Grünen und der Linken. Sollte es mit der Linken nicht klappen, will man es zunächst mit Volt versuchen. Eine klare Absage gab es für die Ambitionen der CDU, mit der SPD eine „Koalition der Volksparteien“ zu schmieden. Dies ist nicht zuletzt an CDU-Fraktionschef Rainer Bliefernicht gescheitert, der mit großem Eifer und noch größerem Optimismus versucht hatte, der SPD seinen Nachbarn aus Marmstorf, den Ersten Richter am Hamburger Verwaltungsgericht Klaus Thorwarth als Ersatz für die amtierende Bezirksamtsleiterin Sophie Fredenhagen anzudienen.
Posse um CDU-Bezirksamtsleiterkandidaten verhindert möglicherweise Große Koalition
Der Marmstorfer Männerbund muss sich seiner Sache sehr sicher gewesen sein, denn beim Marmstorfer Dorfkonzert stellte Bliefernicht seinen Nachbarn schon als kommenden Bezirksamtsleiter vor. Thorwarth selbst muss auch fest daran geglaubt haben und leistete sich prompt einen peinlichen Auftritt in einem Heimfelder Friseursalon, als er (so berichten es jedenfalls mehrere Ohrenzeugen) den anderen Kunden ungeniert von seiner „besonderen Eignung“ zum Bezirksamtsleiter erzählte. Thorwarth hatte indes nicht bemerkt, dass ausgerechnet die Heimfelder SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Claudia Loss ebenfalls als Kundin im Friseursalon saß.
Thorwarths Chancen waren vorher schon entscheidend geschwächt worden, als nämlich eine Probeabstimmung in der CDU-Fraktion mit 10 zu 1 Stimmen gegen Thorwarth endete. Nur Rainer Bliefernicht hatte ihm seine Stimme gegeben. Noch heftiger für Bliefernichts Träume war aber die Entscheidung der Linken, keinesfalls Thorwarth zum neuen Bezirksamtsleiter zu wählen. Damit war klar, egal wie man rechnet, Thorwarth hätte nur mit Stimmen der AfD-Fraktion gewählt werden können. Spätestens jetzt muss CDU-Kreisvorsitzender André Trepoll dazwischengegrätscht sein. Er wollte auf jeden Fall im Vorfeld der Wahl zur Hamburgischen Bürgerschaft am 2. März 2025 eine Diskussion über die Brandmauer zur AfD vermeiden.
Wie stabil wäre Rot-Grün-Rot?
Mit dem Entschluss, eine Koalition mit den Grünen und der Linken oder mit den Grünen und der Volt-Fraktion anzustreben. ist ein handlungsfähiges und vor allem zuverlässiges Bündnis für die nächsten fünf Jahre noch lange nicht gesichert. Ohnehin würde es in der Bezirksversammlung mit der Linken nur eine knappe Mehrheit von 27 Stimmen geben, nötig wären 26. Mit Volt würde es sogar gerade nur für diese 26 Stimmen reichen.
Aber: Trotz einer entscheidungsfreudigen Sitzung im „Feuervogel“ droht dennoch ein Desaster. Nicht alle 15 gewählten SPD-Bezirksabgeordneten stehen hinter Fraktionschef Frank Richter. Fünf Abgeordnete aus drei Harburger SPD-Distrikten hatten schon vorher den Aufstand geprobt und versucht, die Kreisdelegiertenversammlung zunächst abzusagen und auf November zu vertagen. Diesen Vorstoß hatte allerdings die SPD-Landesschiedskommission kassiert. Zugleich hatte der Landesvorstand der Partei aber auch noch die beiden Abgeordneten Benizar Gündogdu und Mehmet Kizil wegen „parteischädigenden Verhaltens“ mit einem dreimonatigen Verbot jeglicher Parteitätigkeiten belegt. Die Folge: Gündogdu, Kizil und Co. erschienen nicht im „Feuervogel“, stattdessen sollen sie bei einer Veranstaltung der Jusos gewesen sein.
Es ist schwer vorzustellen, dass die fünf Abgeordneten wieder reumütig in die SPD-Fraktion zurückkehren und bei Abstimmungen brav die knappe Mehrheit sichern. Mit fünf Abgeordneten hätten sie formal sogar das Recht eine eigene Fraktion zu gründen und hätten dann Anspruch auf Fraktionszuschüsse und ein eigenes Büro.
Fredenhagens Wahl könnte schon über die Bühne sein
Leidtragende dieser innerparteilichen Querelen ist unter anderem Bezirksamtsleiterin Sophie Fredenhagen. Ihre sechsjährige Amtszeit endet Ende September, dann wird sie in den Ruhestand versetzt. Sollte sich eine künftige Koalition auf eine Wiederwahl von Fredenhagen verständigen, könnte sie aus dem Ruhestand heraus wieder aktiviert werden.
SPD und Grüne ärgern sich jetzt, dass die es in den letzten Sitzungen der 21. Wahlperiode versäumt hatten, Fredenhagen schon vorzeitig für eine zweite Amtszeit zu wählen. Intern gab es diese Idee wohl, sie soll aber an einem Mitglied der Grünen-Fraktion gescheitert sein, das allerdings gar nicht mehr der neuen Fraktion angehört.