Harburg. Nun ist die Katze aus dem Sack: Nicht nur das Harburger Bezirksamt will offenbar einen neuen Träger für den Rieckhof finden. Treibende Kraft dahinter sind die Harburger Grünen. Das gab Heinke Ehlers, kulturpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion in der Bezirksversammlung, gegenüber besser-im-blick unumwunden zu. Man wolle kein Veranstaltungszentrum mehr. „Ich möchte, dass es wieder ein Bürgerhaus wird. Mit Kursen und Räumen für Veranstaltungen“, sagt Ehlers. Man wolle neue Bevölkerungsgruppen ansprechen, insbesondere junge Menschen mit und ohne Migrationshintergrund. „Es gibt keine Kurse für Jugendliche und Migranten“, so Ehlers. „Wir wollen, dass Studierende im Bezirk etwas unternehmen und weggehen können.“
Das Vorhaben der Grünen, die Trägerschaft neu auszuschreiben, käme auch nicht aus heiterem Himmel, sondern hätte schon im Wahlprogramm der Grünen für die letzten Bezirkswahlen gestanden. Dort allerdings ist der Rieckhof mit keinem Wort erwähnt. Und auch im Koalitionsvertrag mit der SPD findet sich nur, dass man sich dafür einsetze, dass „Stadtteilkulturzentren, wie z.B. der Rieckhof und das Kulturhaus Süderelbe ihre Potentiale entwickeln können und Raum für neue Konzepte haben.“
Dafür, das „Potential entwickeln“ zu können, hat der Rieckhof schon vor eineinhalb Jahren ein Zukunftsprogramm für die Jahre 2020 bis 2029 zur Weiterentwicklung des Rieckhof vorgelegt. „Wir haben aber nur den Saal und sechs kleine Gruppenräume“, erklärt Rieckhof-Geschäftsführer Jörn Hansen gegenüber besser-im-blick. Das Bürgerhaus Wilhelmsburg sei fast doppelt so groß. Der Schwerpunkt des Rieckhof läge auf dem großen Saal. Dort fänden pro Jahr rund 200 Veranstaltungen mit jährlich über 60.000 Besuchern statt.
Die sechs Gruppenräume würden bei 1.000 Veranstaltungen jährlich von verschiedenen Gruppen genutzt. Die Art der Veranstaltungen dort sei aber begrenzt. Das läge zum einen an der schlechten akustischen Isolierung: „Wenn jemand in dem einen Raum Blockflöte spielt, so kann im danebenliegenden keine ruhige Veranstaltung gleichzeitig stattfinden“, so Hansen. Zum anderen gebe es keine Lagermöglichkeiten. Deshalb seien auch Werkstätten- und viele Kursangebote nicht möglich.
Eine Begrenzung erfahre das Programm auch dadurch, dass der Rieckhof nur vier festangestellte Mitarbeiter habe. „Wir haben immer darauf hingewiesen, dass das zu wenige sind für so ein großes Haus, an das so große inhaltliche Ansprüche gestellt werden. Das Bürgerhaus Wilhelmsburg hat über zehn Mitarbeiter und auch die Honigfabrik in Wilhelmsburg oder das Goldbekhaus und viele andere haben deutlich mehr.“
Schon vor einem Jahr, so kulturpolitische Sprecherin der Grünen Heinke Ehlers, habe man mit dem Koalitionspartner SPD und dem Bezirksamt angefangen, das Thema Rieckhof zu besprechen – nur nicht mit dem Rieckhof selbst. Auch nicht über das Programm zur Weiterentwicklung. „In den letzten 37 Jahren hat kein einziger Politiker mit uns über unser Programm richtig gesprochen oder – für uns wahrnehmbare – Kritik geäußert“, erinnert sich Hansen. Das gilt auch für die Grünen. „Wir sind nicht persönlich auf den Rieckhof für ein Gespräch zugegangen“, gibt Ehlers zu.
Aktueller Anlass für die Ausschreibung sei, dass Jörn Hansen Anfang kommenden Jahres in den Ruhestand gehe und das Haus zudem für Umbauarbeiten längere Zeit geschlossen würde. Diese „Chance“ wolle man nutzen.
Klar ist: Jörn Hansen hat den Rieckhof 37 Jahre lang geprägt. Aber der Verein hat sich – in Unkenntnis des Vorhabens einer Neuausschreibung – schon mit der Zukunft nach Hansens Pensionierung beschäftigt. Seine Nachfolgerin soll Ulrike Niß werden, die seit vielen Jahren im Rieckhof mit dabei ist. „Ulrike Niß ist eine sehr erfahrene Mitarbeiterin im Bereich Stadtteilkultur. Sie wird die Geschäftsführung von mir übernehmen“, erläutert Hansen.
Heimo Rademaker, Sprecher der Harburger Initiative SuedKultur, ist entsetzt: „Ich war mehr als sprachlos und übel verwundert, als ich von dem Vorgehen seitens des Bezirkes gegen den Rieckhof-Trägerverein erfuhr.“ Auch der Kulturausschuss wurde nicht darüber informiert. „Nach den vorliegenden Informationen scheint es für alle Betroffenen mehr als unerwartet und überraschend gekommen zu sein“, so Rademaker. Nach 37 Jahren Kulturbetriebes hält er dieses Vorgehen für inakzeptabel und nicht hinnehmbar. „Das haben der Jörn Hansen und seine Crew nicht verdient“, kritisiert Heimo Rademaker.
Übrigens: Die Mittel für den Rieckhof kommen auch nicht aus Harburg, sondern direkt aus der Finanzbehörde. Wer garantiere, dass ein neuer Träger dieselben Mittel erhalte? Was geschehe mit den Angestellten des Rieckhof und der angeschlossenen Rieckhof-Kneipe? Darf der Bezirk überhaupt kündigen, was die Bürgerschafft verfügt hat? „Ich bin erschüttert, dass das ausgerechnet jetzt in dieser schweren Zeit, mal eben so geschehen soll“, sagt Rademaker.
Ihm stelle sich bei einem solchen Vorgehen auch die Frage, ob der Bezirk nicht bereits einen neuen Träger im Sinn habe oder sich bei einer Neuvergabe Vorteile erhoffe? „Ich weiß es nicht, aber so entsteht Zwiespalt. Diese Aktion ist unüberlegt und in dieser Form unnötig.“ Er hoffe inständig, dass hier das letzte Wort noch nicht gesprochen sei. „Bisher liegt dem Rieckhof nichts Schriftliches vor und so bleibt zu hoffen, dass es sich die Verantwortlichen aus Politik und Verwaltung nochmal überlegen werden“, führt Heimo Rademaker aus.
Zum Kommentar: Meine Meinung: Causa Rieckhof - Für eine Hand voll Stimmen